Trauma und Gewalt

Ein Trauma ist eine Erfahrung und Reaktion auf ein über-wältigendes lebensbedrohliches Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen, wie z.B. zwischenmenschliche Gewalt, Krieg, Ver-lust von z.B. Bezugspersonen, Partner:innen oder Kindern, Naturkatastrophen oder ein Verkehrsunfall.

Es wird unterschieden zwischen akuter Traumatisierung (als Folge eines einzelnen Ereignisses) oder einer komplexen Traumati-sierung (als Folge von wiederkehrenden Erfahrungen von zwischen-menschlicher oder systemischer Gewalt). Diese Ereignisse werden oft als lebensbedrohlich erlebt und werden u.a. begleitet von Gefühlen von wie Angst, Ohnmacht, Alleinsein, Auslieferung und Scham.

In lebensbedrohlichen Situationen tritt im Körper ein Über-lebensmodus ein, welcher die betroffene Person dazu aktiviert, entweder zu fliehen, zu kämpfen oder zu erstarren. Besonders das Erstarren ist ein Schutzmechanismus, der dazu führt, dass die betroffene Person das überwältigende Erlebnis innerlich abspaltet (Dissoziation). Dieser Notfallmodus führt dazu, dass die Betroffenen das Erlebte nicht vollständig im Gedächtnis verar-beiten und es daher nur als fragmentierte Erinnerung zugänglich ist.

Im Gegenzug werden die traumatischen Erfahrungen unbewusst an verschiedene Sinneswahrnehmungen und Umgebungsmerk-male geknüpft. Durch verschiedene Auslösereize können die trau-matischen Erlebnisse reaktiviert werden und das Erlebte wird in der Gegenwart wiederlebt (Flashbacks). Diese Flashbacks können ebenfalls durch Albträume entstehen. Während dieser Flashbacks ist es für die Betroffenen schwer, die traumatische Erinnerung von dem real Erlebten zu unterscheiden. Dies kann mit starken körperlichen Reaktionen oder auch Erstarrung einhergehen.

Besonders das Wiedererzählen des Erlebten, z.B. während einer Vernehmung als Teil eines Strafverfahrens, kann besonders triggernd empfunden werden, da die betroffene Person sich erneut hilflos und entmächtigt fühlt.

Folgen von traumatischen Erlebnissen können sich sehr unterschiedlich auf Betroffene auswirken.

Merkmale sind u.a.:

    • Andauernde Erregung
    • Überhöhte Wachsamkeit
    • Reizbarkeit
    • Schreckhaftigkeit
    • Schlafstörungen
    • Konzentrationsschwierigkeiten
    • Sozialer Rückzug
    • Vermeidungsstrategien, nicht mit dem Erlebten durch Orte, Situation oder bestimmte Personen konfrontiert zu werden
  • Schuld- und Schamgefühle
  • Medikamenten- und Suchtmittelmissbrauch
  • Suizidgedanken
  • Depression
  • Essstörungen
  • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Schuld und Scham

Trigger-Warnung! (Es folgen explizite Benennungen)

Besonders bei geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt, wie z.B. Vergewaltigungen und sexualisierter Folter, spielen Schuld- und Schamgefühle, soziale Ausgrenzung und Stigmatisierungen eine große Rolle und erschweren die Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse. Schuld- und Schamgefühle sind hier besonders stark, weil es zudem die physische und moralische Integrität der Betroffenen angreift und eine besonders schwere Form der Demütigung darstellt.

Trauma und andere Diskriminierungsformen

Trigger-Warnung! (Es folgen explizite Benennungen)

Viele Menschen erleben in ihrem Alltag verschiedene Formen von Gewalt, da sie aufgrund verschiedener Merkmale Diskriminierung und struktureller Gewalt ausgesetzt sind. Rassismus, Ableismus, Homo- oder Transfeindlichkeit, sowie andere Diskriminierungs-/ und Gewaltformen sind Teil unseres gesellschaftlichen Systems. Diese verlaufen unsichtbar, aber sind dennoch genauso schädlich und traumatisierend. Diese mehrfachen und verschränkten Diskriminierungen (Intersektionalität) und traumatischen Erfahrungen werden in gängigen Beschreibungen von Traumanarrativen oft nicht mitgedacht.

Besonders individuelle und institutionelle Diskriminierungsformen werden von den Betroffenen als Mikroaggressionen wahrgenommen und können als anhaltende physische und psychologische Bedrohung verstanden werden. Diese kann Angst, Depressionen, Ohnmacht und auch Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) hervorrufen.

Rassismus und auch sexualisierte Gewalt an größeren Gruppen, z.B. während Kriegs- und Krisenzeiten, können auch historische und kollektive Traumata bis in die nächsten Generationen als Auswirkungen haben.

Soziale und politische Dimensionen von
Trauma

Geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt an Frauen* und Mädchen* ist eine Menschenrechtsverletzung und daher sind Traumata nicht nur auf die individuellen Erfahrungen zu reduzieren, sondern auch immer mit gesellschaftlichen und politischen Machtverhältnissen, Kontrolle, Ungerechtigkeiten, Mythen und Stereotypen verknüpft.

Aus diesem Grund reduzieren wir auch den Begriff „Resilienz“ nicht nur auf die individuellen Widerstandsfähigkeiten mit den trauma-tischen Erlebnissen umzugehen. Es ist auch eine gesellschaftliche und politische Verantwortung das Thema der (sexualisierten) Gewalt an Frauen* und Mädchen als ein strukturelles Problem zu benennen.

Resilienz

Resilienz kommt aus dem lateinischen Begriff „resilire“ (abprallen/ zurückspringen) und bezeichnet die psy-chische Widerstandsfähigkeit, die es Menschen ermög-licht, Strategien zur Bewältigung der traumatischen Erfah-rungen zu entwickeln.

Genauso unterschiedlich wie Traumata und ihre Folge-erscheinungen sich bei Betroffenen von (sexualisierter) Gewalt auswirken, so unterscheidet sich auch die indivi-duelle Widerstandsfähigkeit (Resilienz), mit dem Erlebten umzugehen.