Pressemitteilung

25. Nov 2021

DIE BEKÄMPFUNG VON GEWALT AN FRAUEN* IN NIEDERSACHSEN GELINGT NUR DURCH AUSREICHEND FINANZIERTE STRUKTUREN!

Der 25. November ist der „Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen*“. Der ursprüngliche „Tag gegen Gewalt an Frauen“, der 1981 von Feminist:innen aus Süd- und Mittelamerika ausgerufen wurde, richtete sich gegen die vergeschlechtlichten Auswirkungen und dem Zusammenwirken von Imperialismus, struktureller und individueller patriarchaler Gewalt. Erst 1999 erklärte die UN den Tag zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“.

Mit einem internationalen Blick auf Afghanistan, Polen und die Türkei wird unweigerlich deutlich, dass Gewalt gegen Frauen* auch im Jahre 2021 ein dringliches Thema darstellt, das einer gesamtgesellschaftlichen Intervention bedarf. Dabei ist eine intersektionale Perspektive, die die Verschränkung verschiedener Ungleichheitsformen miteinbezieht, unabdingbar. Viel zu oft werden Diskriminierungsformen wie Trans*- und Homofeindlichkeit, Ableismus und Rassismus, im Kontext von Gewalt, ausgeblendet.

Wir fordern eine konsequente Umsetzung der Istanbul Konvention und internationale Solidarität mit allen von Gewalt betroffenen Personen – denn das Recht auf ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben sollte kein Privileg sein!

Mit Blick auf den deutschen Raum hat die Covid-19-Pandemie die Problematik geschlechtsspezifischer Gewalt sehr deutlich gemacht. So ist die Zahl von häuslicher Gewalt laut der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik erneut gestiegen. Auch das bundesweite Hilfetelefon dokumentiert einen Anstieg an Beratungen um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Ebenfalls verzeichnen die im Verbund angeschlossenen Fachberatungsstellen einen Anstieg an Präventions- und Beratungsanfragen im Hinblick auf geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt. Laut Rosa Berger-Keller vom Verbund der niedersächsischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen gegen Gewalt e.V. nehmen „schwierige Beratungsthemen und Kriseninterventionen momentan sehr viel Raum ein, die mit den aktuellen personellen Ressourcen nur schwer aufzufangen sind“. Berger-Keller weist hiermit auch auf ein langjähriges Problem bezüglich der Unterfinanzierung der Fachberatungsstellen hin.

Trotz des erhöhten Bedarfes spart die Landesregierung beim Thema Gewalt an Frauen* massiv ein – und das auf Kosten der Istanbul-Konvention und der feministischen Einrichtungen, die maßgeblich an der Umsetzung ebendieser in Niedersachsen beteiligt sind!

Der aktuelle Haushaltsentwurf der Landesregierung für 2022/23 und die geplanten Änderungen der Richtlinie der Landesfinanzierung der Frauen- und Mädchenberatungsstellen gegen Gewalt, Beratungs- und Interventionsstellen und Frauenhäuser sehen, trotz steigender Bedarfe und veränderter Rahmenbedingungen in der Arbeit mit Betroffenen, keine notwendige Aufstockung vor. Laut Art. 8 IK müssen jedoch angemessene finanzielle Mittel für die Umsetzung von Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen* und Mädchen* bereitgestellt werden.

Die Zukunft der Koordinierungsstelle der nds. Frauen- und Mädchenberatungsstellen gegen Gewalt ist ungewiss!

 Nach den aktuellen Entscheidungen der Landespolitik soll die Koordinierungsstelle nicht weiterfinanziert werden. Dies ist ein herber Schlag für die Umsetzung der Istanbul-Konvention und besonders für die Unterstützung der Arbeit der spezialisierten Fachberatungsstellen gegen Gewalt and Frauen* und Mädchen* in Niedersachsen.

Ein Modellprojekt, welches eben genau in diesem Namen der Umsetzung beiträgt, soll nun nicht verstetigt werden! Seit fast zwei Jahren und unter widrigen Bedingungen durch die aktuelle Pandemie hat die Koordinierungsstelle das Thema geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt fortlaufend in die Fachöffentlichkeit und Politik getragen. Die Koordinierungsstelle hat wichtige Strukturen aufgebaut und ist einer großen Nachfrage nachgekommen. So verzeichnet beispielsweise die Internetseite der Koordinierungsstelle über 1000 Klicks pro Woche. Darüber hinaus meldeten sich über 400 Personen zur 1. Fachtagung der Koordinierungsstelle am 1. Juli 2021 an und die Flyer-Reihe zu „Gewalt in leichter Sprache“ befindet sich nach wenigen Monaten bereits in der 3. Auflage.

Um Gewalt und Diskriminierungen langfristig in Niedersachsen zu bekämpfen, müssen feministische Projekte verstetigt und in eine Regelfinanzierung eingeführt werden!

Nur so können nachhaltig Strukturen gegen geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt an Frauen* aufgebaut und eine konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention in Niedersachsen erreicht werden!

Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, die Verstetigung der Koordinierungsstelle sowie die Aufstockung finanzieller Mittel für das Unterstützungssystem gegen Gewalt an Frauen* und Mädchen* im aktuellen Haushaltsentwurf 2022/23 zu berücksichtigen!